Elektrobagger bei der Kalkmergelverladung in Loren
Zementabholer vor der Werkseinfahrt
Alte Werksausfahrt bis ca. 1950.
125 Jahre Zementwerk Hannover
Entstehung der Zementregion Hannover
Der Raum Hannover entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der nahe der Oberfläche anstehenden, leicht abzubauenden Kalkmergel, zu einer von acht Zementregionen. Bis 1899 wurden im Süden Misburgs, im sogenannten Kleifeld, insgesamt fünf Portlandzementfabriken direkt an der Bahnstrecke gebaut. Dies waren die HPC, Germania, Kronsberg, Teutonia und die Norddeutsche. Einer der Zementpioniere, Hermann Manske gründete allein drei Werke, die Germania in Lehrte, Misburg und Anderten. Er war darüber hinaus an zwei weiteren Gründungen, der Alemannia in Höver und PCF Hardegsen maßgeblich beteiligt.
Ab den 1880er Jahren bis zur Jahrhundertwende kam es zu einer stürmischen Expansion in der Zementindustrie. Trotz steigendem Absatz trübte sich aber der Markt als Folge der Überproduktion ein. Ruinöse Konkurrenzkämpfe um die Jahrhundertwende führten zu Syndikaten, die Produktionskapazitäten und Absatz kontrollierten. Außenseiterwerke nutzen die solidarischen Selbstbeschränkungen der Syndikatswerke aus, um über Dumpingpreise hohe Auslastungen ihrer Produktionsanlagen zu erreichen. Damit brachten Sie die Syndikate mehrfach ins Wanken, machten sich aber auch zur Zielscheibe von Abwehrmaßnahmen und feindlicher Übernahmen.
Bis 1908 wurden in Niedersachsen überwiegend in den Aufschwungphasen der allgemeinen Baukonjunktur weitere elf Unternehmen mit insgesamt dreizehn Werken gegründet. Die vorliegende Abhandlung behandelt auch Konzentrationsprozesse, wie sie insbesondere durch die Norddeutsche (Nordcement), die im Verlauf die sechs Werke Vorwohle, Hoiersdorf, Salder, Salzderhelden, Schwanebeck, Hardegsen und Alemannia auf sich vereinigte, ausgelöst wurden.
Gründung und Entwicklung der Teutonia
Der Kalkwerksbesitzer Friedrich Kuhlemann und Kaufmann Albert Meyerstein taten sich Ende 1873 zusammen, um die Hannoversche Portland-Cement-Fabrik (HPC) zu gründen. Diese ging 1878 in Betrieb, Betriebsleiter war Hermann Manske. Schon nach drei Jahren trennte sich Manske von Kuhlemann & Meyerstein, um 1881 die Germania Commanditgesellschaft H. Manske & Co. mit Sitz in Lehrte zu gründen. Fünf Jahre später baute er das Germania-Werk in Misburg. Dort war Berthold Lange (*1860 †1930) Betriebsleiter, der aber ebenfalls nach Eigenständigkeit strebte. Zusammen mit Gerhard Bolze (*1854 †1915) gründete er 1897 die Teutonia Misburger Portland-Cementfabrik AG.
Nach zögerlichem Einstieg und mehreren Umplanungen begannen die Bauarbeiten im Spätsommer 1898. Die Inbetriebnahme erfolgte noch in einer Aufschwungphase, sodass die Teutonia anfangs durch Preisunterbietung und Lieferungen in alle Märkte eine gute Auslastung erreichte. Dagegen war es den kartellierten Werken, aufgrund der zugeteilten Kontingente, nicht möglich, ihre Produktionsanlagen voll auszunutzen.
Ab dem Jahr 1901, als ein Preiskampf herrschte und vermutlich auch Abwehrmaßnahmen des Syndikats drohten, schloss man sich in der Folge dem Syndikat mit Sonderverträgen an.
Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1908, wurde eine neue Fabrikanlage mit vier Drehöfen mit einer Gesamtkapazität von 400 Tato geplant. Die Wiederinbetriebnahme der Teutonia erfolgte in einer Stagnationsphase, in der die Gewinne signifikant einbrachen.
Kriegs- und Krisenjahre
Während des Ersten Weltkriegs starb Gerhard Bolze und Berthold Lange führte das Unternehmen allein. Wiederholte Störungen in der Kohlenzufuhr und im Bahntransport beeinflussten auch in der Folge die Produktion und den Absatz empfindlich. Hinzu kamen bald Schwierigkeiten in der Beschaffung der allernotwendigsten Ersatzteile.
Schon vor dem Krieg bestanden die Werksbelegschaften in den hannoverschen Zementwerken zu etwa 20 % aus ausländischen Saisonarbeitern. Während des Krieges standen diese Arbeitskräfte nicht mehr zur Verfügung, stattdessen erledigten polnische Zivil- und russische Kriegsgefangene die Arbeit. Zunehmend wurden ab 1916 auch Frauen eingesetzt.
Der Hannoversche Raum war durch die Auswirkungen des Krieges stärker als anderen Zementregionen vom Absatzrückgang betroffen. Der Grund lag in der starken Exporttätigkeit, die auch nach dem Kriegsende nicht wieder in früherem Umfang aufgenommen werden konnte.
Ab dem Jahr 1921 hemmte die Geldentwertung die Investitionstätigkeit. Dennoch erfolgten hohe Gewinnausschüttungen mit einer Kapitalrentabilität von 19,5 %. Im Zeitraum von 1925 bis 1928 lief in der Zementindustrie eine Rationalisierungswelle, als Antwort auf die stark gestiegenen Löhne. Letztere hatten bis dahin aber noch immer einen vergleichsweise geringen Anteil an den Produktionskosten. Die Rationalisierungen gingen meist einher mit Kapazitätserweiterungen und führten zu Aufbau weiterer Überkapazitäten. Mit dem Beginn der wirtschaftlichen Rezession in den Folgejahren kämpfte man mit Liquiditätsproblemen und geriet in die Verlustzone.
Der Anstieg der Bautätigkeit infolge der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nationalsozialisten brachte eine Erholung des Zementmarktes. Nach längerer Investitionszurückhaltung nahm die Teutonia 1934 die erste Lepolofenanlage mit 280.000 Jahrestonnen in Betrieb. Sie lieferte große Mengen Deckenzemente für die Reichsautobahn und investierte in weitere Betriebsverbesserungen. Während des Krieges ersetzten französische und russische Kriegsgefangene die eingezogenen deutschen Arbeiter. Die Auslastung der Teutonia erreichte 1943 nur noch 36 %. In diesem Jahr übernahm Emma Lange die Leitung des Unternehmens bis 1948.
Wiederaufbau und Ölpreiskrise
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Niedersachsen unter die Verwaltung der britischen Militärbehörden. Die unterbrochene Kohle- und Stromversorgung brachte die Produktion in den Zementwerken allgemein zum Erliegen. Für den Bedarf der Streitkräfte beschlagnahmte man noch vorhandene Zementvorräte und ließ zuerst die unbeschädigten, betriebsfähigen Werke wieder anlaufen.
Durch die Zonengrenzen verloren die hannoverschen Werke ihre bisherigen Absatzgebiete in Mitteldeutschland. Immerhin konnte man im Juli 1948 70 % der Produktionskapazität bei einer Belegschaft von 288 Personen wieder erreichen. Dagegen konnte die Germania erst im April 1950 und die HPC sogar erst im Juni 1951 den Betrieb wieder aufnehmen. Eine der dringendsten Aufgaben war die Wiederinstandsetzung der bombengeschädigten Wohnhäuser.
Im Jahr 1953 hatte man begonnen, in unmittelbarer Werksnähe einen neuen Werkshafen zu bauen. 1960 startete die Teutonia ein durch Kapitalerhöhungen, Aktienemissionen und langfristige Kredite finanziertes dreijähriges Investitionsprogramm in Höhe von 16 Mio. DM, das Neuanlagen vom Brecher im Steinbruch bis zum Klöckner-Humboldt-Deutz- Zyklonvorwärmerofens mit einer Tagesleistung von 1.000 t umfasste. Diese Investitionen fielen in eine Wachstumsperiode der Hannoverschen Zementindustrie.
Strukturbereinigung und Restrukturierung
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beendete die gemeinsame Verkaufsorganisation der niedersächsischen Zementhersteller. Gleichzeitig leitete sie eine Strukturbereinigung in der Zementindustrie ein. Ein Opfer war die Germania, die auch in Ennigerloh einen Standort hatte. Ein Konsortium aus Elsa, HPC und Teutonia kaufte das Gesellschaftskapital der Germania auf. Nachdem der Antrag für Rationalisierungskartelle schließlich 1967 vom Bundeskartellamt abgelehnt worden war, kam es in den Jahren von 1967 bis 1970 zu einer Neuauflage der „Westfälischen Zementkriege“ durch ruinöse Preiskämpfe.
Die übrig gebliebenen Zementhersteller setzten auf weiteren Kapazitätsausbau bei maximaler Rationalisierung. Im Jahr 1966 hatte Teutonia bereits die Grenze von 500.000 t überschritten und 1965/1966 ein neues Investitionsprogramm in Höhe von 17 Mio. DM aufgelegt. Als Ergebnis der Rationalisierung sank die Beschäftigtenzahl von Teutonia innerhalb eines Jahrzehnts um fast ein Drittel von 385 (1958) auf 269 (1968) Arbeiter und Angestellte.
In Jahr 1972 erreichte der Zementabsatz in Deutschland den allzeitigten Höchststand von rund 42,3 Mio t. Trotz geplanter Stilllegung wurden aus diesem Grund die Mahlkapazitäten der Germania noch vorübergehend bis 1976 genutzt.
Die Ölpreiskrise verursachte ab Herbst 1973 einen lang anhaltenden Niedergang der Bau- und Zementindustrie und löste einen zweiten westfälischen Zementkrieg aus. Durch Änderungen der Feuerungsanlagen der Drehöfen 1982 konnte die Teutonia Kohle, schweres Heizöl oder Gas für die Feuerung einsetzen.
Mitte der 1980er Jahre profitierte Teutonia vorübergehend von Sondereffekten des Straßenbaus und konnte sich der Rezession teilweise entziehen. 1989 waren nur noch drei Zementunternehmen übrig geblieben. Erst der Fall der innerdeutschen Grenze brachte Teutonia 1991 die Vollauslastung zurück. Die sich ab Mitte der 1990er Jahre erneut einstellende Baurezession führte mit ihren Folgeerscheinungen schließlich
Ende 2004 zur Übernahme der Teutonia durch HeidelbergCement. Die letzten Jahre waren gekennzeichnet durch Betriebsoptimierungen im Heidelberger Werksverbund und Umstrukturierungen mit dem Ziel der Herstellung CO₂-ärmerer Zemente.
- Der Heidelberger Portländer. Beiträge zur Unternehmensgeschichte und Unternehmenskultur, Heft 16
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Die Geschichte des Zementwerks Hannover
Expansion und Konzentration der Zementindustrie im Raum Hannover
[hrsg. von: Heidelberg Materials AG]
Dietmar Cramer - HeidelbergCopyright © 2023 Heidelberg Materials AG
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