Augmented reality: Wie in italienischen Zementwerken die Zukunft auf die Gegenwart trifft.
Zum ersten Mal sahen wir sie auf der Kinoleinwand im Film Minority Report mit Tom Cruise in der Rolle des Precrime-Agenten John Anderton. Und heute hat sie bereits Einzug in die innovativsten internationalen Unternehmen gehalten. Die Rede ist von Augmented Reality (deutsch: erweiterte Realität). Eine Methode, mit der durch ein Sichtgerät und spezielle Software virtuelle Elemente mit der realen Umgebung verschmolzen werden können. Stellen Sie sich zur Vereinfachung eine Brille vor, durch die Sie Bilder sehen, die Ihrer Arbeitsumgebung überlagert sind und mit denen Sie mit einfachen Handgesten interagieren können.
Die Zukunft unserer Arbeit
Die Anwendungsmöglichkeiten sind unbegrenzt. Von der Telemedizin bis zum Fernunterricht, von gemeinsamer Teamarbeit bis zu ferngesteuerten Reparaturarbeiten auf Baustellen. Perspektivisch verfügen Augmented-Reality-Anwendungen über alle Voraussetzungen, um die Zukunft unserer Arbeit zu revolutionieren. Vor allem wenn man bedenkt, dass man für einfache Anwendungen anstelle von Sichtgeräten auch normale Handys nutzen kann.
Sprechen wir also von der nahen Zukunft? Oder von ein paar Nerds aus dem Silicon Valley? Nein. Wir sprechen von der Realität: auch in einer der Branchen, die (zu Unrecht) als sehr traditionell angesehen wird, nämlich dem Baugewerbe. Genauer gesagt im Bereich der Herstellung und Vermarktung von Zementen und Betonen.
Kontinuität bei Zertifizierungen auch in Krisensituationen
Mit der Technologie ist es wie mit allem: Sie entsteht durch eine Notwendigkeit und fasst auf dieser Grundlage Fuß. Im Fall unserer Kollegen von Italcementi bestand das Erfordernis, in den Werken auch mitten in der Covid-19-Notsituation weiterhin Produktproben und Audits von den Zertifizierungsstellen durchzuführen zu lassen. Die Kontinuität der Zertifizierungen musste gewährleistet sein. Erschwert wurde dies vor allem durch die Bewegungseinschränkungen in den „roten Zonen“, die einen großen Einfluss auf die Tätigkeit der Auditoren der mit Italcementi zusammenarbeitenden Zertifizierungsstellen hatten.
Um insbesondere die obligatorischen Audits und Probenahmen zu gewährleisten, hatte Italcementi bereits Vorkehrungen getroffen, um Fernprobenahmen der Produkte zu ermöglichen. Zunächst gingen wir das Problem mit Hilfe eines Mobiltelefons über einen WhatsApp-Videoanruf an: Zwei Techniker im Werk verbanden sich per Videoanruf mit dem Auditor, der auf diese Weise die Entnahme der Zementproben überwachen konnte (ein Kollege nahm die Probe, der andere filmte den Vorgang). Dieses System funktionierte zwar, stellte uns aber nicht ganz zufrieden.
Das Sichtgerät Microsoft HoloLens 2
In Zusammenarbeit mit unseren IT-Kollegen von Italcementi entschieden wir uns daher für den Einsatz von Microsoft HoloLens 2. Dabei handelt es sich um ein innovatives System von Sichtgeräten mit Audio, das vollständig in einen Schutzhelm (PSA) integriert werden kann. Damit hatten die Auditoren Zugang zu unseren Anlagen, als wären sie tatsächlich vor Ort gewesen.
Die Auditoren konnten Anweisungen geben, gewisse Bereiche mit höherer Genauigkeit zu untersuchen, indem sie dem Kollegen mit der HoloLens 2 vor Ort direkt Sprach- und Videoanweisungen schickten. So konnten sie die für die Zertifizierung erforderlichen Details besser überprüfen. All dies wurde natürlich in einen vollständig dokumentierbaren Workflow integriert, der damit offiziell für die Erstellung des Berichts nutzbar war.
Unsere erste Erfahrung sammelten wir mit Certiquality bei der regelmäßigen Erneuerung der ISO 9001 für das Zementwerk Tavernola Bergamasca (Provinz Bergamo). Mit dem Institut für Bautechnologie des Nationalen Forschungsrats (ITC CNR) führten wir in den Zementwerken von Italcementi die Stichprobenprüfung im Rahmen der Fremdüberwachung durch. Dabei fand unsere erste Zementprobenahme aus der Ferne statt, wobei der Auditor der Zertifizierungsstelle Anweisungen gab und dieVorgänge bequem von seinem Büro aus verfolgte.
Der beprobte Zement wurde in versiegelte und codierte Behälter gegeben. Der gesamte Vorgang wurde gefilmt, sodass die Techniker des Instituts nach Erhalt der Probe die Übereinstimmung mit dem Video überprüfen konnten. Die Zertifizierung wurde somit komplett aus der Ferne durchgeführt, ohne dass die Auditoren die Zertifizierungsstelle verlassen mussten.
Der Faktor Krise als Gelegenheit
Wichtig ist zu betonen, dass dies mit größtmöglicher Sicherheit vonstattenging. Die HoloLens 2 lässt dem Bediener beide Hände frei und garantiert eine perfekte Sicht auf die Umgebung, in der man sich bewegt. Das System ist vollständig in unsere internen Abläufe integriert, denn die Microsoft-Sichtgeräte arbeiten perfekt mit Microsoft Teams zusammen. Heidelberg Materials nutzt das Kollaborations-Hub von Microsoft 365, um Projekte, Informationen und die tägliche Arbeit zu teilen.
Ich bin besonders stolz und zufrieden mit der Arbeit, die wir hier mit unserem Bereich Information Technology und mit unseren Kollegen in den Zementwerken auf die Beine gestellt haben. Aus einem Krisenfaktor (das Coronavirus mit seinen Einschränkungen) haben wir die Gelegenheit geschaffen, nicht nur unsere Effizienz im Zertifizierungsprozess zu steigern, sondern unseren Zertifizierungsstellen auch eine neue und konkrete operative Lösung anzubieten.
Den Blick immer in die Zukunft gerichtet
Der Einsatz von Erweiterter Realität ist Teil eines umfassenderen Projekts, das von der digitalen Dokumentensignatur, über die Fernsteuerung von Betonwerken bis hin zu Apps zur Buchung der Zementverladung reicht. Ich bin überzeugt, dass der einzige Weg zur Überwindung von Krisen darin besteht, sich mit der Erforschung und Entwicklung neuer Lösungen zu beschäftigen. Die Integration eines innovativen Werkzeugs wie der HoloLens 2 in unsere Produktionsanlagen mit ihren täglichen Anforderungen ist zweifellos der beste Weg, unsere Bereitschaft zu zeigen. Wir halten unseren Blick immer in die Zukunft gerichtet, egal wie komplex und herausfordernd die Gegenwart ist.