25 Jahre Unternehmensarchiv der Heidelberg Materials AG

Archiv, was ist das? Klingt verstaubt!

Vor 25 Jahren ist gerade das Internet entstanden. Seitdem ist viel Wissen verfügbar gemacht worden, vielfach aber nur die gleiche Quelle tausendfach kopiert worden. Gültigkeit und Wahrheit erhält die Information durch ihr Ranking, also durch Sponsoring und Abstimmung über Klicks. Doch will man den Ursprung der Information finden, tut man sich im Internet schwer.

„Wo ist das Original?“, könnte man fragen. „In einem Archiv“: Ist die Antwort, denn dort liegen überwiegend Originale und Unikate. Das gibt auch die Antwort darauf, wofür wir ein Archiv brauchen. Nämlich für die zeitlich unbegrenzte Aufbewahrung unserer eigenen Überlieferung, um jederzeit auf authentische, verlässliche und eigene Dokumente zurückgreifen zu können.

Damit wir etwas finden, muss das Archiv nach einem Aktenplan organisiert sein und es muss Schutzmechanismen haben, die eine lange Lesbarkeit gewährleisten. Das gilt für analoge wie digitale Datenträger gleichermaßen, wenn auch auf unterschiedliche Art. Im einen Fall müssen wir den Zerfall des Papiers durch Benutzung und Säurefraß minimieren, im anderen müssen wir durch geeignete Maßnahmen das digitale Dokument authentisch dauerhaft lesbar erhalten.

Lohnt sich der Aufwand und was hat Zukunft?

„Toll, dass Heidelberg Materials sich ein Unternehmensarchiv leistet“, hört man oft von Interessierten. Was man nicht vermutet – ein Archiv ist nichts was man sich leisten können muss – sondern richtig dimensioniert und betrieben ist es eine wirtschaftlich arbeitende Einrichtung. Durch professionelles Informationsmanagement, optimierte Lagerung und durchdachte digitale Ablage­strategien werden redundante Prozesse vermieden, die Effizienz gesteigert und anderen die Konzentration auf das Wesentliche ermöglicht. Ein gut geführtes Archiv verdient unter dem Strich sein Geld – nicht immer direkt messbar, aber über einen langen Zeitraum spürbar. Man denke dabei nur an die Sicherung von Eigentumsrechten, Vertragsdokumenten sowie von technischem und wirtschaftlichem Know-how.

Man muss die Zukunft im Sinn haben und die Vergangenheit in den Akten.

Charles Maurice de Talleyrand (1754-1838)

Das klingt einfach, es wird aber immer schwerer diesem Gebot gerecht zu werden. Der Grund liegt in der zunehmenden, ausschließlich digitalen Entstehung und Speicherung von Dokumenten und Informationen in Datenbanken. Diese liegen selten in Form digitaler Akten vor, sondern als verstreute Dokumente ohne beschreibende Metadaten. Die Erarbeitung von Lösungen und Prozessen ist eine der organisatorischen Aufgaben des Archivs in der Zukunft.

Auch ein Archiv hat Geschichte

Die Ursprünge des Unternehmensarchivs reichen 60 Jahre zurück. Am 16. März 1961 startete die Steuerabteilung ein Rundschreiben an alle Werke mit der Aufforderung, historisch wertvolle Unterlagen an die Hauptverwaltung zu schicken. Es bedurfte auch damals schon mehrmaligen Erinnerns, ehe man Material bekam. So entstand eine Sammlung von Druckschriften und Einzeldokumenten. 1996, im 100. Betriebsjahr des Stammwerks Leimen, fasste man den Entschluss ein professionelles Archiv aufzubauen, das auch die Jubiläumsausstellung und ein Firmenmuseum betreuen sollte. Gestartet wurde am 15. April mit 30 Umzugskartons. Insgesamt vier Mal musste das Archiv als Ganzes bewegt werden, um den steigenden Platzbedarf zu decken.

Da viele Produktionsstandorte einst eigenständige Gesellschaften waren, war die Situation der Archivbestände auch sehr unterschiedlich. Meist hieß es zuerst, „wir haben nichts für das Archiv.“ Vor Ort zeigte sich dann meist das Gegenteil. Die Kommunikation über die Archivarbeit ist ein unendlicher Prozess und man beginnt ihn immer wieder von vorn. Mal war es ein staubiger Dachboden, der bei 35 °C geräumt wurde, mal ein Aktenkeller, der bereits vom Main überflutet worden war. Es gab aber auch Fälle, in denen überhaupt nichts überliefert wurde und man Ersatz­überlieferungen aus anderen Beständen zusammenstellen musste. Im Archiv angekommen fing dann die Arbeit erst an. Die Archivalien mussten in die Datenbank eingegeben und in archivtaugliche, säurefrei Verpackungen umgebettet werden.

Die Arbeit hat sich gelohnt, wie man nach 25 Jahren feststellen kann. Fast täglich erreichen uns Anfragen rund um das Unternehmen, aber auch zur ganzen Branche. Die Fragen sind äußerst vielfältig und reichen von familiären Beziehungen zum Unternehmen, über Standorte und Bauwerke bis zu Betonkunst. Erstaunlicherweise finden wir fast immer etwas in unseren Beständen. Die Fragen inspirieren uns und fließen auch in Bewertungsprozesse für zukünftige Bestände ein. Das Archiv gibt auch eine eigene Reihe „Der Heidelberger Portländer“ heraus, in welche Forschungen zur Unternehmensgeschichte veröffentlicht werden. Über sie finden heute die meisten Interessenten zu uns.

Das nachhaltige Archiv

Mit dem Umzug in die neue Hauptverwaltung in Heidelberg übernahm das Archiv auch die Zuständigkeit für die Registratur und das Zwischenarchiv. Während die Objektsammlung im Altarchiv in Leimen verblieb, wurden die Aktenbestände nach dem Bär'schen Prinzip neu geordnet. Beim Bär’schen Prinzip handelt es sich um ein Numerus-currens-Verfahren. Das Archivgut wird in kleineren Einheiten vorsortiert, die sachliche Gliederung wird anschließend in den Findmitteln hergestellt. Der Bestand kann jederzeit ohne Umordnungsarbeiten erweitert werden. Dadurch entfallen laufende Umordnungsarbeiten und es müssen keine Lücken in den Archivregalen offengehalten werden. Die Archivtektonik wird nach Provenienzen und thematischen Sammlungen virtuell in der Datenbank abgebildet. Durch die seit jeher extrem dichte Packung der Archivalien in Stehkartons verschiedener Stärken (Raumnutzung ca. 95 %) wird eine äußerst wirtschaftliche Papierlagerung erreicht.

Im neuen Magazin wurde auf eine Klimatisierung verzichtet, lediglich eine Lüftungsanlage steht für den Fall zur Verfügung, dass die Klimawerte wesentlich von den Sollwerten abweichen. Durch diese Maßnahmen sind langfristig niedrige Betriebskosten bei geringstem Energieverbrauch gewährleistet. Durch zusätzliche Abdichtungen und Isolierung der Wände von außen entsprechen Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit nahezu den Sollwerten.

Nachhaltigkeit ist in der digitalen Welt noch ein Fremdwort: Viele Dokumente werden mehrfach gesichert und erfordern unnötigen Speicherplatz und damit Hardware-Ressourcen und Energie. Auch Arbeitszeit, weil vieles redundant gemacht wird. Weil man nicht weiß, was man gefahrlos löschen kann, wird nichts gelöscht. Am Ende ist vielleicht alles verloren, weil die Kosten für die Migration in neuere Systeme zu hoch sind, die Formate nicht gepflegt wurden oder schlicht die Volltextsuche keine vernünftigen Ergebnisse mehr bringt. Die Arbeitsweise eines Archivs ist eine völlig andere. Wir archivieren nach eingehender Bewertung nur das Wichtigste und löschen alle unnötigen Dokumente. Es gibt einen Speicherplatz auf den verwiesen wird.

Zukünftige Aufgaben

Der Weg zum fast papierlosen Büro hat sich bei Heidelberg Materials in sehr kurzer Zeit vollzogen. Wesentlich waren dafür mehrere Umzüge mit umfangreichen Kassationen und Übernahmen ins Unternehmensarchiv, so dass die Papier­überlieferung organisatorisch weitgehend abgeschlossen ist. Die Zukunftsaufgaben liegen daher in der konsequenten Einführung von Dokumenten­management-Systemen sowie der Bewertung und Migration der Dateien aus Windows-Ordnern.

Erfahrungs- und Überblickswissen scheint im Internetzeitalter obsolet, kann man doch vieles in Sekunden nachschlagen. Doch werden aus eingangs erwähnten Gründen, seriöse Inhalte auch in Zukunft aus Archiven und Bibliotheken kommen. Im digitalen Zeitalter hat sich auch das Nutzungsverhalten stark geändert. Statt selbst in den Akten zu stöbern, erwartet man fertige Dokumentationen, wie aus Wikipedia. Erwartet wird auch, dass alles in Bruchteilen von Sekunden durch einfache Suchbegriffe gefunden werden kann, wie in Google. Wir als Archiv arbeiten daran!

Mann mit dunklen Haaren, hoher Stirn und Oberlippenbart in einem weißen Hemd mit Krawatte

Dietmar Cramer

Senior Officer Unternehmensarchiv

Dietmar Cramer kam 1996 zu Heidelberg Materials und baute das Unternehmensarchiv wieder auf. Er ist verantwortlich für das historische Erbe und die wissenschaftliche Aufbereitung der Unternehmensgeschichte. In seiner Freizeit ist er ein leidenschaftlicher Heimwerker.

Ein Mann mittleren Alters hält in seinen behandschuhten Händen ein altes Buch

Immer wieder faszinierende, handgeschriebene Geschäftsbücher.

Karger Raum mit Holzboden, in dem Kisten und eingerahmte Bilder stehen

Erster Lagerraum des Archivs im Jahr 1996.

Frau transportiert Aktenordner auf einem Rollwagen zwischen Archivschränken

Neues passiv klimatisiertes Archivmagazin.

Graue Kästen verschiedener Größe mit verschiedenen Knöpfen und Anzeigen

Großrechenanlage. Aus der ersten Hauptverwaltung 1961: Die Daten sind alle verloren, die Ausdrucke z. T. im Archiv erhalten.